Wolfgang Menges transmediales Werk:
Kritische und dokumentarische Perspektiven
Der von Lisa Gotto und mir herausgegebene Band verbindet kritische mit dokumentarischen Perspektiven und versammelt Analysen von Wolfgang Menges Werk, Zeugnisse von WeggefĂ€hrten sowie historische SchlĂŒsseltexte ĂŒber und von Wolfgang Menge.
Gefördert von der Film und Medienstiftung NRW, ist der 772 Seiten starke Buch 2016 im transcript Verlag erschienen.
Neben der Druckausgabe ist Der TelevisionÀr auch als PDF-E-Book erhÀltlich, ebenfalls bei transcript, sowie als Kindle-E-Buch bei Amazon und als Epub-E-Buch, etwa bei Apple, Hugendubel oder Kobo.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort. Von Gundolf S. Freyermuth und Lisa Gotto
I Leben und Werk
Wolfgang Menge: AuthentizitÀt und Autorschaft. Fragmente einer bundesdeutschen Medienbiographie. Von Gundolf S. Freyermuth
II Kritische Perspektiven: Radio, Film, Fernsehen, Literatur
Wolfgang Menge â in seinen BĂŒchern. Von Barbara Naumann
âRednaxela dnu Nairdaâ. Anmerkungen zu Wolfgang Menges HörfunkanfĂ€ngen. Von Wolfgang Hagen
Modulation und HybriditÀt: PrÀfigurationen einer postklassischen Medienkultur in den Edgar Wallace-Filmen von Wolfgang Menge. Von Ivo Ritzer
Was der Fall sein könnte. Wolfgang Menges spekulative Fernsehspiele. Von Lisa Gotto
Kollektive ZivilisationsÀngste. Wolfgang Menges Reality-Fernsehen. Von Klaudia Wick
Experimentelles Fernsehen. Von Lorenz Engell
Subversion durch Transparenz. Wolfgang Menge als Talkmaster von III nach 9. Von Stefan MĂŒnker
Komplexes Fernsehen 1974. Die Liveness der Talkshow III nach 9. Von Jens Ruchatz
III Dokumentarische Perspektiven: Texte, PortrÀts, GesprÀche, Erinnerungen
âNun steigen Sie doch endlich ein!â Erinnerungen an die Kriegs- und Nachkriegszeit. Von Sabine Hering
Land des mĂŒden LĂ€chelns. Ein Reisebericht (1957). Von Wolfgang Menge
Das Wiedersehen. Ein Hörspiel (1957). Von Wolfgang Menge
Hallo Nachbarn. Sendung vom 2. Mai 1959. Von Wolfgang Menge
Zeitvertreib. Ein TheaterstĂŒck (1962, Auszug). Von Wolfgang Menge
Die Stimme der Kritik (1962). Von Friedrich Luft
Mein Mann (1962). Von Marlies Menge
So isst die Rote Garde. Eine kulinarische Reflexion (1968). Von Wolfgang Menge
âWolfgang Menge war mein erster Autor.â GĂŒnter Rohrbach im GesprĂ€ch mit Gundolf S. Freyermuth und Lisa Gotto
Der verkaufte KĂ€ufer. Ein Sachbuch (1971, Auszug). Von Wolfgang Menge
âDas mit der Familie ist nun mal passiert.â Ăber den Tetzlaff-Autor Wolfgang Menge (1973). Von Hermann Schreiber
âMenge war ein VisionĂ€r.â Gunther Witte im GesprĂ€ch mit Lisa Gotto und Wolfgang Hagen
FAZ-Fragebogen (1981). Von Wolfgang Menge
Der WĂŒrfel. Von Gottfried Boettger
â⊠weil das Risiko SpaĂ macht.â Ăber Talkshows (1982). Von Wolfgang Menge
âDa haben wir zusammen geweint …â Gisela Marx im GesprĂ€ch mit Gundolf S. Freyermuth und Stefan MĂŒnker
Der Geschichte(n)erzÀhler. Ein PortrÀt (1986). Von Gundolf S. Freyermuth
Knopf an der Backe. Grimme-Preis-Rede (1987). Von Wolfgang Menge
Sie tanzten nur einen Abend. Von Michael Schmid-Ospach
Schiller. Die Preis-Rede (2000). Von Wolfgang Menge
Schalom. Drehbuch fĂŒr eine Fernsehserie: Episode 1 (2002). Von Wolfgang Menge
BeschÀftigt mit dem Gang der Welt. Von Regine Sylvester
âHauptsache, ich bin nicht zu Hauseâ (2004). GĂŒnter Gaus im GesprĂ€ch mit Wolfgang Menge.
Das letzte Foto. Nachruf auf Wolfgang Menge (2012). Von Hans Janke
IV Anhang
Werkverzeichnis. Zusammengestellt von Carmen Schneidereit
Autorenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Am 10. April 2014 wĂ€re der Autor und Fernsehpionier Wolfgang Menge 90 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass luden das Cologne Game Lab(CGL) und die ifs internationale filmschule köln an diesem Tag zu einer eintĂ€gigen – von der Film und Medien Stiftung NRW geförderten â Forschungskonferenz in den RĂ€umen des CGL ein.
Die Konferenz brachte wissenschaftliche Experten und kĂŒnstlerische WeggefĂ€hrten zusammen und prĂ€sentiert Wolfgang Menge als transmedialen Autor avant la lettre. Strategisch ging es darum, sein im historischen Kontext bahnbrechendes Werk akademisch sichtbarer zu machen. Die Teilnehmer der Konferenz betrachteten die gesamte Bandbreite von Menges Schaffen, im Print als Journalist, Sachbuch- und Romanautor, im Theater und Radio als Dramatiker, in Film und Fernsehen als Drehbuchautor von Spielfilmen, Fernsehspielen und Fernsehserien sowie als Talkshow-Host und als Erfinder von gĂ€nzlich neuen Formaten.
Programm
10:00-10:30 Uhr: Eröffnung Petra MĂŒller, Simone Stewens, Prof. Dr. Lisa Gotto, Prof. Dr. Gundolf S. Freyermuth
10:30-11:15 Uhr: »Wolfgangs Werk, Menges Mythen. Fragmente einer bundesdeutschen Medienbiographie« (Prof. Dr. Gundolf S. Freyermuth)
11:15â11:45 Uhr: GĂŒnter Rohrbach im GesprĂ€ch mit Lisa Gotto & Gundolf S. Freyermuth
11:45-12:00 Uhr: Kaffeepause
12:00-12:45 Uhr: »Wolfgang Menge in seinen BĂŒchern« (Prof. Dr. Barbara Naumann)
12:45-13:15 Uhr: Gisela Marx im GesprĂ€ch mit Stefan MĂŒnker & Gundolf S. Freyermuth
13:15-14:15 Mittagspause
14:15-15:00 Uhr: »âșRednaxela dnu Nairdaâč â Anmerkungen zu Wolfgang Menges HörfunkanfĂ€ngen« (Prof. Dr. Wolfgang Hagen)
15:00-15:45 Uhr: »Was der Fall sein könnte. Wolfgang Menges spekulative Fernsehspiele« (Prof. Dr. Lisa Gotto)
15:45-16:00 Uhr: Kaffeepause
16:00-16:30 Uhr: Gunther Witte im GesprÀch mit Lisa Gotto & Wolfgang Hagen
16:30-17:15 Uhr: »Subversion durch Transparenz. Wolfgang Menge als Talkmaster« (PD Dr. habil. Stefan MĂŒnker)
17:15-17:30 Kaffeepause
17:30-18:15 Uhr: »Experimentelle Television« (Prof. Dr. Lorenz Engell)
18:15-18:45 Uhr: Get together
18:45-19:30 Uhr: Abschlusspanel mit Prof. Dr. Lorenz Engell, Jakob Menge, Prof. Dr. Barbara Naumann, Gunther Witte; Moderation: Prof. Dr. Lisa Gotto und Prof. Dr. Gundolf S. Freyermuth
Vortragende
Prof. Dr. Lorenz Engell, Film- und Fernsehwissenschaftler, Professor fĂŒr Medienphilosophie an der Bauhaus-UniversitĂ€t Weimar, Direktor des Internationalen Kollegs fĂŒr Kulturtechnikforschung und Medienphilosophie (KĂ€te Hamburger Kolleg â IKKM, zusammen mit Prof. Dr. Bernhard Siegert) der Bauhaus-UniversitĂ€t, Veröffentlichungen (Auswahl): »Fernsehtheorie zur EinfĂŒhrung« (Hamburg: Junius, 2012), »Playtime. MĂŒnchener Film-Vorlesungen« (Konstanz: UVK, 2010), »Bilder der Endlichkeit« (Weimar: VDG, 2005), »Bilder des Wandels« (Weimar: VDG, 2003), Mitherausgeber u.a. der Reihe »Film Denken« (seit 2013), der »Zeitschrift fĂŒr Medien- und Kulturforschung« (ZMK, seit 2009), des »Archiv fĂŒr Mediengeschichte« (2000-2010) und des »Kursbuch Medienkultur« (MĂŒnchen: DVA, 1998).
Prof. Dr. Gundolf S. Freyermuth ist Direktor des Cologne Game Lab der Fachhochschule Köln und Professor fĂŒr Media and Game Studies. Von 2004-2014 war er Professor fĂŒr Angewandte Medienwissenschaften an der ifs internationale filmschule köln, fĂŒr die er weiterhin nebenberuflich die medienwissenschaftliche Lehre leistet. Er ist Ko-Herausgeber der Schriftenreihe »Bild und Bit. Studien zur digitalen Medienkultur«, publizierte Romane, SachbĂŒcher, Essays, Reportagen, Hörspiele, Radiofeatures, schrieb DrehbĂŒcher fĂŒr Spiel- und Dokumentarfilme und fĂŒhrte Regie. Seine Forschungsschwerpunkte sind digitale AudiovisualitĂ€t, insbesondere Film und Games, sowie TransmedialitĂ€t und Netzwerkkultur.
Prof. Dr. Lisa Gotto ist Professorin fĂŒr Filmgeschichte und Filmanalyse an der ifs internationale filmschule köln. Zuvor war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Bauhaus-UniversitĂ€t Weimar und der Hochschule fĂŒr Fernsehen und Film MĂŒnchen, Akademische RĂ€tin an der UniversitĂ€t Regensburg, Vertretungsprofessorin an der UniversitĂ€t Mannheim und Gastprofessorin an der Leuphana-UniversitĂ€t LĂŒneburg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Geschichte und Theorie des Films, BildĂ€sthetik sowie digitale Medienkultur.
Prof. Dr. Wolfgang Hagen, Professor fĂŒr Medienwissenschaft in LĂŒneburg. Zuvor Leiter der Kultur- und Musikabteilungen im Deutschlandradio Kultur sowie Leiter der Medienforschung des Deutschlandradios. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte und Theorie des Computers, des Radios, der digitalen Bildlichkeit und der Medien: Das Radiobuch. Zur Theorie und Geschichte des Hörfunks Deutschland/USA (MĂŒnchen: Fink, 2005); »Medienvergessenheit. Ăber GedĂ€chtnis und Erinnerung in massenmedial orientierten Netzwerken«, in: Dimbath, Oliver / Wehling, Peter (Hg.): Soziologie des Vergessens. Theoretische ZugĂ€nge und empirische Forschungsfelder (Konstanz: UVK, 2011), S. 243-274. Homepage: www.whagen.de; www.leuphana.de/wolfgang-hagen
PD Dr. habil. Stefan MĂŒnker ist Privatdozent am Institut fĂŒr Musik- und Medienwissenschaft der Humboldt UniversitĂ€t Berlin und Mitarbeiter eines groĂen deutschen Medienunternehmens. Im WS 2012/13 ist MĂŒnker Fellow am Internationalen Zentrum fĂŒr Kultur- und Technikforschung (IZKT) der UniversitĂ€t Stuttgart. Publikationen (Auswahl): Emergenz digitaler Ăffentlichkeiten. Die Sozialen Medien des Web 2.0 (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2009), Philosophie nach dem Medial Turn. BeitrĂ€ge zur Theorie der Mediengesellschaft (Bielefeld: transcript, 2009), Was ist ein Medium? (hg. mit Alexander Roesler, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2012).
Prof. Dr. Barbara Naumann ist seit 2000 Professorin fĂŒr Neuere deutsche Literatur an der UniversitĂ€t ZĂŒrich; dort auch 2006-2009 Leiterin des Seminars fĂŒr Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft (= Comparative Literature). 1998-2000 Professorin fĂŒr Literatur- und Kulturwissenschaft an der UniversitĂ€t Hamburg; 2002 Gastprofessur an der UniversitĂ€t Wien (Erasmus); 1994 Gastprofessur an der University of California, Berkeley. Herausgeberin der Zeitschrift »figurationen«. Forschungsschwerpunkte: Literatur und andere KĂŒnste, IntermedialitĂ€t in EuropĂ€ischen Literaturen und bildender Kunst (dt., engl, frz.). Publikationen (Auswahl): »BilderdĂ€mmerung. Bildkritik im Roman« (Basel: Schwabe, 2012), »Philosophie und Poetik des Symbols. Cassirer und Goethe« (MĂŒnchen: Fink 1998), Hg. (mit Margrit Wyder): »Ein Unendliches in Bewegung. Das Ensemble der KĂŒnste im Wechselspiel mit der Literatur bei Goethe« (Bielfeld: Aisthesis, 2012)
WeggefÀhrten
Gisela Marx ist Journalistin und GrĂŒnderin der filmpool Film- und Fernsehproduktion. Sie studierte Geschichte, Romanistik und Philosophie an der UniversitĂ€t Köln. In den 1980er Jahren moderierte sie gemeinsam mit Wolfgang Menge die SFB-Fernseh-Talkshow »Leute«. Als Produzentin zeichnet sie fĂŒr mehrere Fernsehspiele wie z.B. »NegerkĂŒsse« und »Spreebogen« sowie die Serie »Motzki« von Wolfgang Menge verantwortlich. Sie ist Autorin und Regisseurin zahlreicher Fernsehdokumentationen zum Thema Entwicklungspolitik. Seit 1999 sitzt sie in der Jury des Bayerischen Fernsehpreises, von 2003 bis 2004 war sie stellvertretende Juryvorsitzende des Deutschen Fernsehpreises. Derzeit ist Gisela Marx als Medienberaterin tĂ€tig.
Prof. Dr. GĂŒnter Rohrbach studierte Germanistik, Philosophie und Psychologie und promovierte 1957 ĂŒber Grimmelshausen. AnschlieĂend arbeitete er vor allem als freier Filmkritiker, u.a. fĂŒr die Zeitschrift »FILMKRITIK. 1961 kam er zum WDR und wurde dort vier Jahre spĂ€ter Fernsehspielchef und Mitte der siebziger Jahre auch Unterhaltungschef. In dieser Zeit verantwortete er Hunderte von Fernsehspielen u.a. auch die mit Wolfgang Menge. 1979 wurde er GeschĂ€ftsfĂŒhrer der Bavaria Film und produzierte dort u.a. Fassbinders »Berlin Alexanderplatz« , »Das Boot«, »Schtonk«, die Schimanski-Filme, die Loriot-Filme. Danach war er als freier Filmproduzent tĂ€tig, so fĂŒr »Die Apothekerin«, »Aimee & Jaguar«, »Die weiĂe Massai«, »Anonyma«. Er war MitbegrĂŒnder der Deutschen Filmakademie und zusammen mit Senta Berger ihr erster PrĂ€sident. Rohrbach erhielt zahlreiche Auszeichnungen , so den Deutschen Filmpreis (mehrfach) den Bayerischen Filmpreis (mehrfach), den Filmpreis der Stadt MĂŒnchen, mehrere Oscar-Nominierungen.
Gunther Witte arbeitete nach dem Studium der Germanistik und Theaterwissenschaft zunĂ€chst als Theaterdramaturg, bis er 1962 zum Fernsehen wechselte. Von 1979 bis zu seiner Pensionierung 1998 war er Fernsehspiel-Chef des Westdeutschen Rundfunks. In seiner Verantwortung entstanden zahlreiche Projekte, die Fernseh- und Kinogeschichte geschrieben haben, darunter »Die Dubrowkrise« (Autor: Wolfgang Menge, Regie: Eberhardt Itzenplitz), Fassbinders »Berlin Alexanderplatz« und die Heinrich-Böll-Verfilmung »Die verlorene Ehre der Katharina Blum« (Regie: Volker Schlöndorff). Er ist Erfinder der ARD-Krimi-Reihe »Tatort«. 2001 wurde Gunther Witte mit der »Besonderen Ehrung des Adolf-Grimme-Preises« fĂŒr sein Lebenswerk ausgezeichnet. Er ist Ehrenmitglied der Deutschen Filmakademie und Mitglied der Deutschen Akademie der Darstellenden KĂŒnste.
Autor im bundesdeutsche Fernsehen
Was wÀren die Nachkriegsdeutschen einst ohne das Fernsehen gewesen? Oder gar geworden?
Wie kein anderes Massenmedium prÀgte die Television mit ihrer innovativen Kombination von Fakten und Fiktionen die zweite HÀlfte des zwanzigsten Jahrhunderts.
Zur fernen, vergehenden Epoche des in West und Ost geteilten Deutschland liefert das Fernsehen daher einen zentralen SchlĂŒssel; nicht zuletzt auch, weil die zeitgenössischen Macher das TV-Programm, das sie produzierten und verantworteten, durchaus auch als Programm im emphatischen Sinne begriffen.
Auf der bundesdeutschen Seite, im öffentlich-rechtlichen Nachkriegsfernsehens setzte Wolfgang Menge ĂŒber fĂŒnf Jahrzehnte hinweg mit kreativen und zugleich populĂ€ren Fernsehspiel-Experimenten Meilensteine der TV-Geschichte.
Nach Menges rund 70 DrehbĂŒchern entstanden u. a.:
- populĂ€re Kriminalfilme wie die semi-dokumentarische Stahlnetz-Krimiserie (1958-1968) und mehrere frĂŒhe Tatort-Krimis (1971-1974);
- wegweisende faktionale Experimente wie Fragestunde (1969), Die Dubrow-Krise (1969), Millionenspiel (1970), Smog (1973), GrĂŒĂ Gott, ich komm von drĂŒben (1978), Ein Mann von gestern (1980);
- innovative historische TV-Spiele wie So lebten sie alle Tage(1984), Reichshauptstadt privat (1987) und Ende der Unschuld(1991);
- ungemein populÀre Radikalisierungen der Familienserie wie Ein Herz und eine Seele (1973-76) und Motzki (1993).
Diese ungewöhnliche Kombination von Ă€sthetischen Experimenten und Massenunterhaltung, kreativer Partizipation und kritischer Reflexion machte Wolfgang Menge nicht nur zum profiliertesten TV-Autor der fĂŒnfziger bis neunziger Jahre. Sie sorgte auch dafĂŒr, dass sich heute rĂŒckblickend in seiner kĂŒnstlerischen Biographie die Geschichte des Mediums selbst spiegelt.
Eine wesentlich Grundlage dafĂŒr war seine journalistische Vorbildung. Sie lieĂ ihn von der vorproduzierten TV-Konserve zu tagesaktuelleren und Live-Formen streben. So gehörte er in den frĂŒhen siebziger Jahren auch zu den Pionieren, die fĂŒr das deutsche Fernsehen das neue Format der Talkshow entwickelten. Schlagfertig und bissig moderierte er dann die bahnbrechenden Talkshows III nach 9 (1974-84) und Leute (1983-87). Schnell wurde seine hohe hagere Gestalt mit dem kahl rasierten SchĂ€del zur populĂ€ren TV-Ikone. In der fĂŒr einen TV-Autor einzigartigen Mischung aus Avantgardismus und PopularitĂ€t, QualitĂ€t und Quote, AufklĂ€rung und Unterhaltung verkörpert Wolfgang Menge wie kein anderer den historischen Spagat des Mediums, das ihn berĂŒhmt machte â des deutschen Nachkriegsfernsehens in seiner öffentlich-rechtlichen AusprĂ€gung.
Am 17. Oktober 2012 starb Wolfgang Menge 88jĂ€hrig in Berlin, am 25. Oktober wurde er auf dem Berliner Waldfriedhof beigesetzt. Die Ansprache, die ich dabei hielt, ist â>hier nachzulesen.
Mit der Absicht, Wolfgang Menges Leben und Arbeiten zu dokumentieren und sein Werk kritisch zu wĂŒrdigen, verbindet sich notwendig eine umfassendere historische ErzĂ€hlung: die Geschichte vom Aufstieg und Niedergang des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland.
Fernsehnation
Zu Weihnachten 1952 nahm die ARD ihren regulÀren Sendebetrieb auf. Der Aufstieg des neuen Mediums verlief blitzartig: Drei Millionen kleiner grauer Bildschirme drangen allein bis zum Ende des Jahrzehnts in die Wohnzimmer.
Im Alltag des Wiederaufbaus wirkten sie wie ein neues Fenster auf die RealitÀt. Einzigartig war an ihm, dass es allen dieselbe Perspektive bot. Das Fernsehen schuf sich so ein neues, sein eigenes Publikum: die Fernsehnation.
Ob nun das erste und einzige Programm lief oder ab 1963 auch das zweite: Die Mattscheibe der frĂŒhen Jahre zeigte stets die Welt aus recht gleicher, aus westlicher Sicht. Sie vermittelte demokratische Werte und stiftete so bundesdeutsche IdentitĂ€t.
Das neue Medium und sein Autor
Wolfgang Menge hatte bereits ein gutes Jahrzehnt im In- und Ausland fĂŒr Radiosender und Zeitungen gearbeitet, als er Mitte der fĂŒnfziger Jahre begann, fĂŒr das neue Massenmedium Fernsehen zu schreiben.
Stahlnetz-Autor Wolfgang Menge mit Regisseur JĂŒrgen Roland im Schneideraum, um 1960 (Quelle: Wolfgang Menge)
Aus dieser beruflichen Vorerfahrung, dass er eben nicht vom Film und dem fiktionalen ErzĂ€hlen herkam, entwickelte sich Wolfgang Menges besonderes Markenzeichen: die journalistische AnnĂ€herung, die Tatsachentreue, WirklichkeitsnĂ€he und Genauigkeit von Personen und Orten, abgestĂŒtzt durch formal innovative Aufarbeitungsweisen des jeweils recherchierten Materials.
In seinen besten Werken erzÀhlte Menge so zugleich Geschichten und Geschichte. Und in diesem Talent, Recherche mit Fantasie, Gefundenes mit Erfundenem zu verschmelzen, glich er auf geradezu prÀstabilierte Weise dem neuen Massenmedium selbst:
Denn auch das Fernsehen bildete ja nicht die Welt ab, wie sie tatsÀchlich war, sondern konstruierte eine neue mediale RealitÀt; von den Inszenierungen der Samstagabend-Shows bis zu denen der Tagesschau oder der politischen Magazine.
Fand Wolfgang Menge daher im jungen, vergleichsweise offenen, weil sich erst noch entwickelnden öffentlich-rechtlichen Fernsehen sein ideales Medium, so gewann das wiederum mit ihm einen idealen Autor.
Fernsehkritiker
Gerade deswegen jedoch, weil er das aufsteigende Medium im Gegensatz zu den meisten seiner Verwalter zur bestmöglichen Form fĂŒhren wollte, entwickelte Menge sich schnell auch zu einem der hellsichtigsten Kritiker des Fernsehens.
Diese Kritik brachte er aber nicht â wie etwa die Fronde kulturkonservativer Feuilletonisten â von auĂen und von oben herab vor. Er formulierte sie vielmehr innerhalb des Mediums selbst: mit Fernsehspielen wie Millionenspiel oder Der Mann von gestern sowie in zahlreichen Talkshow-Moderationen und Interviews.
Wie kein anderer animierte er so die Fernsehnation â Macher wie Zuschauer â zur Selbstreflexion, zur Hinterfragung des Status Quo, zum Nachdenken ĂŒber systemische Fehlentwicklungen wie zunehmende Quotenjagd und damit auch zur Imagination einer anderen, besseren medialen Zukunft.
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