Reprint des Monats

Januar 2012
Bernd Eichingers Hollywoodfahrt

Vor einem Jahr, am 24. Januar 2011, starb Bernd Eichinger 61jährig in Los Angeles. Das hier zum ersten Todestag nachgedruckte Porträt entstand im Frühjahr 1984.

Bernd - als 35jähriger Wunderknabe des bundesdeutschen Films und nur sechs Jahre älter als ich, der ihn begleitende stern-Reporter, bestand er darauf, dass wir uns duzten - flog damals nach Los Angeles, um amerikanischen Finanziers seine bis dahin größte und gewagteste Produktion vorzuführen: Wolfgang Petersens rund 60 Millionen Mark teuren Film The Neverending Story. Bei dieser wichtigen Hollywoodfahrt ging es geschäftlich um alles, das finanzielle Überleben.

Aber als er hörte, dass ich zum ersten Mal in Los Angeles war, schlug Bernd überm Wein einen Deal vor, der auf seiner Seite Glücksspiel war und auf meiner gegen jede journalistische Ehre ging: Er würde mir LA zeigen und mich - so gut wie - überall hin mitnehmen. Im Gegenzug aber würde ich ihn das Porträt, das ich schrieb, vor der Veröffentlichung gegenlesen lassen. Er wollte, sagte er, kein Veto, nur die Möglichkeit, argumentieren zu können.

Als es so weit war, an einem sehr frühen Morgen im Hotel Chateau Marmont, bei einem surrealen Frühstück in seiner Suite mit Blick über den Sunset Boulevard - Bernd schien nicht geschlafen zu haben, stand schwer unter was auch immer und bestellte den Room Service via Ferngespräch nach München bei irgendeiner Assistentin -, las er die wenigen Seiten, hektisch auf und ab gehend und mühsam konzentriert, und sagte dann nur, was in meinen Ohren enttäuscht klang:

"OK, wenn du mich so siehst ..."

Zwei Jahre später traf ich ihn auf dem verschneiten Set von
Der Name der Rose im Kloster Eberbach wieder.

"Meine Leute", begrüßte er mich, als hätten wir uns vielleicht eine Woche nicht gesehen, "finden, dass du mich schon richtig beschrieben hast. Sag, was du brauchst, und du kriegst es."

Ich brauchte ein Interview mit seinem Hauptdarsteller Sean Connery. Bernd, in Turnschuhen durch den hohen Schnee stapfend, nickte nur.

Sein Versprechen zu halten, erwies sich als schwierig. Aber Monate später, im römischen Cinecitta-Frühling, drängelte er sich, mich entschlossen hinter sich herziehend und die bittere Miene von Mr. Ex-Bond überlächelnd, in Sean Connerys Trailer.

"15 Minuten, keine mehr", sagte Connery.

Bernd grinste. Er hatte mal wieder gewonnen. Und sein Wort gehalten.

Erstveröffentlichung unter dem Titel "Unser Mann in Hollywood" in: STERN, 20/1984, S. 218-222.


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